Herr Düsener, Sie leiten seit 2019 den Bereich Telekom Healthcare Solutions. Sie hatten zum Antritt Ihrer Position die Devise ausgegeben »Priorität hat bei uns im Moment der Auf- und Ausbau der Telematikinfrastruktur in Deutschland«. Wie weit sind Sie diesem Ziel nach anderthalb Jahren nähergekommen?
Wir haben Fortschritte gemacht, sind aber noch nicht am Ende des Weges. Damals haben wir gerade erst mit dem Rollout der Konnektoren und der ersten Komponenten für die Telematikinfrastruktur, kurz TI, begonnen. Die Erstausstattung tausender Arztpraxen und ambulanter Einrichtungen in Deutschland ist abgeschlossen. Nun stehen Krankenhäuser und Apotheken auf dem Programm. Allerdings stehen bis auf den Versichertenstammdatenabgleich die weiteren Anwendungen wie Notfalldaten-Management, elektronischer Medikationsplan, Datenmanagement zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit und die elektronische Patientenakte noch nicht zur Verfügung. Ich hoffe, wir sind bis Ende 2021 am Ziel, so dass alle Beteiligten – Patienten, Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken – von der TI profitieren werden. Neben dem Ausbau der TI steht für uns die Kommunikation im Gesundheitswesen, kurz KIM, im Fokus. Die einzige von der gematik zugelassene Kommunikation zwischen den Akteuren des deutschen Gesundheitswesens. Zudem arbeiten wir neben mobilen Zugangsmöglichkeiten für Hebammen, Physiotherapeuten und Pflegekräften an neuen Architekturkonzepten für die TI. Der Auf- und Ausbau der TI ist nach wir vor ein für uns zentraler Treiber auf dem Weg in die digitale Zukunft des Gesundheitswesens.
Ist Deutschland bereit für einen tiefgreifenden Wandel hin zu mehr Digitalisierung?
Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren viele gesetzliche Grundlagen geschaffen. Die Corona-Krise wirkt wie ein Katalysator für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Beispiele sind die Videosprechstunde und die digitale Kommunikation im geschützten Raum. Der Aufbau der TI ist aber für alle Beteiligten eine große Herausforderung: Leistungserbringer, Staat, Wirtschaft. Andere Staaten mit einem entweder staatlichen oder privaten Gesundheitssystem haben es da leichter.
Schreitet die Vernetzung von Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern voran oder gibt es noch empfindliche Lücken?
Die Vernetzung scheitert heute nicht mehr an der fehlenden Akzeptanz der medizinischen Leistungserbringer. Von noch entscheidenderer Bedeutung ist die Einbindung der Patienten, die über ihre Daten selbst bestimmen wollen. Die Politik treibt diese Entwicklung voran. Das Patientendaten-Schutz-Gesetz hat hier weitere Fristen gesetzt und auch noch zusätzlich die Möglichkeit der Einbindung von Hebammen, Physiotherapeuten und mobiler Pflege geschaffen. Der Patient und der Heilberufler, insbesondere jene, die mobil unterwegs sein müssen, wie die zahlreichen Pflegekräfte, werden mit dem Smartphone beziehungsweise mobilen Endgeräten hochsicher auf ihre Akten und medizinischen Daten zugreifen. Und immer mehr werden sogenannte digitale Identitäten beim Zugriff auf Patientendaten eine Rolle spielen. Die digitalen Ansätze werden damit für alle einfacher, flexibler und vor allem zunehmend mehr Nutzen bringen. Die gesetzlichen Voraussetzungen wurden bereits vor Corona durch das Bundesgesundheitsministerium geschaffen.
Ab welcher Dichte der Vernetzung kann man von einem wirklichen Fortschritt sprechen, damit alle an schnelleren, unkomplizierteren Abläufen teilhaben können?
Schnelle und unkomplizierte Abläufe sind von mehreren Faktoren abhängig. Hierzu zählt natürlich die digitale Infrastruktur. Diese ist aber nur ein Faktor. Damit alle an schnellen und unkomplizierten Abläufen teilhaben können, bedarf es neben der Infrastruktur Anwendungen wie das Notfalldaten-Management, den elektronischen Medikationsplan sowie das Datenmanagement zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit und die elektronische Patientenakte.